Übergangskonstruktion öffnet horizontal, mitten in der Brücke
Glasgow. Die neue Clyde Crossing bei Glasgow ist eine Doppeldrehbrücke, die sich in der Mitte öffnet. Dort befindet sich auch der Fahrbahnübergang von MAURER (Typ DS 4 HL). Er verfügt über eine einzigartige Hydraulik, die sowohl das Öffnen und Schließen der Brücke steuert als auch die eigentliche Funktion eines Fahrbahnübergangs übernimmt: den Ausgleich der Brückenausdehnung infolge von Temperatur, Wind und Verkehrsbelastungen.
Mit der Clyde Crossing hat Schottland eine neue Technik-Ikone. Sie überquert den Clyde in Yoker, einem Stadtteil von Glasgow, und verbindet die Nachbarstädte Clydebank und Renfrew. Die imposante weiße Stahlbrücke besteht aus zwei Drehbrücken und wurde von einem Joint-Venture von JV Hollandia Infra (südliche Brücke) und Smulders Iemants (nördliche Brücke) gebaut. Die beiden Pylonpaare nahe am Ufer kragen wie Kräne schräg nach außen und drehen sich bei der Öffnung der Brücke mit. Clyde Crossing ist 184 m lang und mit 12,3 m Breite für Fahrzeuge, Fußgänger und Radfahrer ausgelegt.
Brücken dieser Größenordnung haben normalerweise am Anfang und Ende, bei den Widerlagern, eine Übergangskonstruktion. Diese überbrückt den Bauwerksspalt, der notwendig ist, um horizontale Ausdehnungen der Brücke auszugleichen, z. B. wegen Temperaturunterschieden, Wind oder Verkehrslast.
Bei der neuen Doppel-Drehbrücke liegen die Drehpunkte jedoch so nah an den Widerlagern, dass Übergangskonstruktionen dort weder möglich noch notwendig waren. Die längeren Brückenabschnitte liegen zur Flussmitte, also musste auch die Übergangskonstruktion dorthin – dort wo die Brücke sich öffnet. Technisch bedeutete das, dass das horizontale Öffnen und Schließen der Drehbrücke plus Längenausdehnung und Verdrehung in einem Bauteil zusammengeführt werden mussten – ein einzigartiges Vorhaben.
Übergangskonstruktion mit Mehrfachfunktion
„Wir bekamen die erste Anfrage 2019 – das zeigt schon, wie herausfordernd das Projekt war“, erinnert sich Jeroen Melief, Niederlassungsleiter bei MAURER Netherlands BV. Ingenieure aus mehreren Unternehmen waren in die Entwicklung der Sonderkonstruktion involviert, federführend war MAURER mit seinen Experten in München, Lünen und Culemborg. Die Konstruktion musste zudem nach Eurocode und englischer Norm zulässig sein und obendrein verlängerten der Brexit und Corona die außergewöhnlich intensive Entwicklungs- und Abstimmungsphase.
Basis der Entwicklung waren moderne MSM®-Schwenktraversen-Fahrbahnübergänge. Schwenktraversenübergänge werden seit Jahrzehnten erfolgreich in anspruchsvolle Brücken eingebaut. Sie erlauben Bewegungen in Brückenlängsrichtung von bis zu 3 m und ggf. mehr sowie Verdrehungen in alle Richtungen. Die Schwenktraversen tragen obenliegende, parallele Profile, die auch Lamellen genannt werden und quer zur Fahrtrichtung verlaufen. Die Traversen verlaufen leicht schräg zur Fahrtrichtung und sorgen so dafür, dass sich die öffnenden und schließenden Bewegungen der Brücke gleichmäßig auf die Dichtprofile zwischen den Profilen verteilen.
Bei MAURER- Schwenktraversenübergängen der neuesten Generation laufen die Lamellen in W-förmigen MSM®-Lagern (statt in einfachen Elastomerlagern). Die sog. Katamaran-Lagerung macht die gesamte Übergangskonstruktion leistungsfähiger. Dank des Gleitmaterials MSM® und der besonderen Lagerform gleiten die Profile leichter und präziser über die Traversen. Das verhindert Zwängungen und erhöht die Lebensdauer.
Besonderheiten in Glasgow
Für Glasgow wurde diese ohnehin komplexe MSM®-Schwenktraversen-Konstruktion zusätzlich mit hydraulischer Steuerung, Gleitlagern und definierten Kontaktflächen ausgestattet und an die südliche Drehbrücke angebaut:
- Die Brücke hat eine Art Tisch, auf dem der Fahrbahnübergang liegt und auf MSM®-Gleitsonderlagern zwängungsfrei bewegt werden kann.
- Unmittelbar bevor die Brücke sich dreht und öffnet, zieht die Hydraulik an der Unterseite den Fahrbahnübergang zusammen. Dafür sind vor der Brückenöffnung nur wenige Millimeter notwendig, denn die Brückenseiten stoßen nicht rechtwinklig, sondern mit einem Winkel von 84 ° aufeinander.
- Während die Brücke sich weiter öffnet, schließt die Hydraulik den Fahrbahnübergang komplett, denn er darf nicht mehr auskragen.
- Die nördliche Brücke ohne Fahrbahnübergang ist passgenau so gebaut, dass der Fahrbahnübergang anlegen kann.
- Wenn die Brücke wieder schließt, öffnet die Hydraulik den Fahrbahnübergang wieder so weit, dass er sich an die Nord-Brücke anlegt.
- Der Anpressdruck dafür wird exakt gesteuert. Er muss hoch genug sein, dass auch bei der Überfahrt von Lkws die Überfahrsicherheit gewährleistet ist. Es gibt keine manuelle Verriegelung.
Übergang plus 40 cm
MAURER lieferte eine 13,2 m lange MSM® Schwenktraversenkonstruktion mit 320 mm Dehnweg (MAURER Modulardehnfuge Typ DS 4 HL). Da sie im Gegensatz zu üblichen Übergangskonstruktionen nur auf einer Seite angeschweißt wird, umfasste die Lieferung auch einen 40 cm breiten „Brücken“-Streifen zur nördlichen Brücke hin. MSM®-Streifen in der Kontaktfläche schützen die Stahlkonstruktionen.
Beide Brückenteile wurden in Rotterdam/Holland gefertigt. Dort wurde Anfang 2024 auch die komplette Sonderkonstruktion an die Südbrücke angebaut und dann die gesamte Hydraulik intensiv getestet – von einem externen Unternehmen, denn „bei einer so einzigartigen Konstruktion wollten wir auf Nummer sicher gehen“, erklärt Melief. „Der größte Erfolg war, als das bei den Tests einfach so funktionierte wie wir uns das ausgedacht hatten.“ Nach dem Einschwimmen in Glasgow im April war nur noch Feinabstimmung notwendig.
Das Renfrewshire Council of Glasgow City Region will die Brücke noch in diesem Jahr für den Verkehr freigeben.
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